Peter Green – Albatross mit gebrochenen Flügeln

Mit Peter Green verstarb am 25. Juli 2020 einer der besten und bedeutendsten englischen Blues-Gitarristen der sechziger Jahre. Selbst wenn man den Musiker bisher nicht kannte, sollten einem Songs wie „Black Magic Woman“, „Albatross“, „Man Of The World“, „Rattlesnake Shake“, „Oh Well“ und/oder „The Green Manalishi (With The Two Prong Crown)“ ganz sicher irgendwann und irgendwo schon mal über den Weg glaufen sein.

Before The Beginning – Ein kurzer Blick auf die ersten Lebensjahre

„Man Of The World“ lautet einer der bekanntesten Titel des ersten Karriere-Abschnitts von Fleetwood Mac. Dass er nach eigener Einschätzung aber eben genau das – ein Mann von Welt – nicht war, machte der Komponist bereits im Text klar. Peter Norman Greenbaum wurde am 29. Oktober 1946 als viertes und jüngstes Kind seiner Eltern aus der Arbeiterklasse in London geboren. Die ersten Akkorde auf der Gitarre brachte ihm sein Bruder bei, ab 1957/58 war er jedoch sein eigener Lehrer, sozusagen ein Autodidakt. Mit 15 Jahren wurde er Profi und spielte in wechselnden Bands entweder die Gitarre oder den Bass. Mitte der sechziger Jahre kam es zu der ersten Begegnung mit Mick Fleetwood.

Underway – Der Absprung zu John Mayall’s Bluesbreakers

Im Oktober 1965 sprang Green bereits für vier Konzerte für den erkrankten Eric Clapton bei John Mayall’s Bluesbreakers ein und wurde im Jahr darauf – nachdem Clapton die Band verlassen hatte – festes Mitglied. In der Besetzung Mayall, Green, John McVie am Bass, Hughie Flint sowie Aynsley Dunbar am Schlagzeug (nachdem Mick Fleetwood davor gefeuert worden war, weil er einen über den Durst getrunken hatte), John Almond und Alan Skidmore am Saxophon sowie Ray Warleigh (wind instruments) wurde im Februar 1967 die Scheibe „A Hard Road“ veröffentlicht, die bis heute zu den besten gehört, die Mayall jemals auf den Markt brachte. Aber Peter Green hatte bereits neue Pläne, denn er wollte unbedingt seine eigene Band an den Start bringen.

Rattlesnake Shake – Die besten Jahre mit Fleetwood Mac

Fleetwood Mac wurde gegründet und bestand neben Green aus seinem Kumpel Mick Fleetwood (drums) und dem zweiten Gitarristen Jeremy Spencer. John McVie (Greens erste Wahl) wollte seinen sicheren wöchentlichen Lohnscheck bei John Mayall nicht aufs Spiel setzen und so gehörte dieser ersten Besetzung auch Bob Brunning am Bass an. Nachdem die Band einen Plattenvertrag in der Tasche hatte, signalisierte nun auch McVie, dass er bereit wäre. Bitter für Bob Brunning, der deshalb seine Sachen packen musste. 1968 und 1969 erschienen mit „Fleetwood Mac“, „Mr. Wonderful“ sowie „Then Play On“ drei großartige Alben, wobei die heute legendären Tracks „Albatross“, „Man Of The World“, „Black Magic Woman“, „Oh Well“ sowie „The Green Manalishi (With The Two Pronged Crown)“ allesamt lediglich als Single erschienen.

Jedoch stellten die anderen Bandmitglieder ab etwa Anfang 1969 Veränderungen in Peter Greens Psyche und Verhalten fest. Der Gitarrist – der seit geraumer Zeit beunruhigend große Mengen LSD konsumierte – wurde immer sonderbarer und war plötzlich auch strikt dagegen, mit der Band weiterhin Geld zu verdienen. Vielmehr sollten bisherige Gagen und auch die kommenden allesamt gespendet werden. Es liegt auf der Hand, dass dies bei den übrigen Bandmitgliedern nicht gerade zu Freudentänzen führte. Greens psychischer Zustand verschlechterte sich weiter zusehends und nach einem Konzert am 20. Mai 1970 verließ er schließlich die Band.

The End Of The Game – Der Absturz

Noch im selben Jahr veröffentlichte sein Label eine Jam-Session unter dem Titel „The End Of The Game“ (somit sein erstes Soloalbum), er spielte als Gast auf Platten anderer Leute, 1972 veröffentlichte er eine Solo-Single und war 1973 sogar als Gast-Gitarrist auf einem Song des Fleetwood Mac-Albums „Penguin“ zu hören. Sowohl sein Drogenkonsum als auch seine psychische Gesundheit hatten bis zu diesem Zeitpunkt jedoch einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Green wurde schließlich mit Schizophrenie diagnostiziert und musste in einer Einrichtung eine Elektroschock-Therapie über sich ergehen lassen. Es ist wohl fair zu schreiben, dass der Peter Green der sechziger und frühen siebziger Jahre spätestens ab diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht mehr existierte.

Stop Messin‘ Round – Ein zweiter Anlauf

Im Jahr 1979 hatte er sich wieder soweit aufgerappelt, dass er einen neuen Anlauf als Musiker wagte. Von jenem Jahr an erschienen fast genau im Zwölfmonats-Takt bis 1983 fünf qualitativ schwankende Alben, bezüglich derer sich jedoch bis heute hartnäckige Gerüchte mit einem großen Fragezeichen versehen halten, wieviele der Gitarrenspuren darauf eigentlich tatsächlich von Peter Green eingespielt wurden. 1985 erschien noch ein Album des Projekts Katmandu (neben dem Protagonist mit u. a. Ray Dorset und Vincent Crane), danach war erstmal wieder Schluss und der gute, aber nach wie vor psychisch kranke Peter verschwand erneut komplett von der Bildfläche.

Merry Go Round – Neue Band, neues Glück?

1997 gründete er die Peter Green’s Splinter Group, die immerhin neun Alben veröffentlichte und auch wieder auf Tournee ging. Ende der Neunziger hatte der Verfasser dieser Zeilen nach einem Konzert der Splinter Group auch mal die Möglichkeit, ein paar Worte mit Peter Green zu wechseln. Was aber – und ich schreibe das nicht gerne – eher eine traurige Angelegenheit war. Der Gitarrist wirkte wie ein lebendiger Körper, dessen Seele und Geist ihn bereits verlassen hatten. Sehr schnell kam dann auch ein weiteres Bandmitglied hinzu geeilt, um die eigentlich direkt an Green (der einen nur mit leeren Augen ansah) gestellten Fragen zu beantworten und ihn dann ins Backstage zu führen. Eine Begegnung, die einen bitteren und – wie schon geschrieben – sehr traurigen Nachgeschmack bei mir hinterließ.

Show-Biz Blues – Die letzten Jahre

Peter Green verließ die Splinter Group 2004 und zog nach Schweden. Erst 2009 tauchte er wieder auf und spielte als Peter Green & Friends Konzerte und Tourneen. Plattenveröffentlichungen mit neuen Songs gab es nicht mehr. Zu seinen guten Zeiten waren die Kompositionen und das unglaubliche Feeling dieses Musikers fast unerreicht und er darf mit Jimmy Page, Jeff Beck, Eric Clapton sowie Stan Webb (Chicken Shack) und eigentlich auch Paul Kossoff zweifelsfrei zu den sechs besten englischen Blues-Gitarristen im England der sechziger Jahre gezählt werden.

Closing My Eyes

Nun ist Peter Green am 25. Juli 2020 im Alter von 73 Jahren friedlich im Schlaf gestorben. Somit ist einer der – denn man kann es nicht oft genug wiederholen – allerbesten englischen Blues-Gitarristen der sechziger Jahre von uns gegangen, dem man vor allem zu Lebzeiten viel mehr Glück und Frieden gewünscht hätte.

Rest in peace, Peter, wir werden dich nicht vergessen!


Album-Empfehlungen:

John Mayall & Bluesbreakers

„A Hard Road“*

Fleetwood Mac

„Peter Green’s Fleetwood Mac“*

Mr. Wonderful“*

„Then Play On“*

„Pious Bird Of Good Omen“*

„Fleetwood Mac In Chicago“*

Peter Green

„In The Skies“*

„Little Dreamer“*

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